Patient Care

Smarter Umstieg: Magdeburg führt papierlose Patientenaufnahme ein

Zimmer zur digitalen Pateientenaufnahme, Uniklinikum Magdeburg
Flur mit nummerierten Türen, Uniklinikum Magdeburg

DIGITALE PATIENTENAUFNAHME

Das Universitätsklinikum Magdeburg hat gemeinsam mit Thieme Compliance einen digitalen Aufnahmeprozess entwickelt und erfolgreich eingeführt. Mitarbeitende und Patient*innen profitieren von einer erheblich reduzierten Papierlast, optimierten Abläufen und mehr Raum für persönliche Begegnungen. Einblicke in ein Leuchtturmprojekt, dessen positive Auswirkungen weit über die reine Zeit- und Kostenersparnis hinausreichen.

Im Herbst 2022 stand der Aufnahmebereich des Universitätsklinikums Magdeburg vor einer großen Herausforderung: den unaufhaltsam anwachsenden Papierbergen ein Ende zu setzen. „Wir mussten täglich riesige Mengen an Dokumenten drucken, kopieren, unterschreiben lassen und in Ordnern archivieren. Einige Patient*innen fragten uns scherzhaft, wie viele Bäume wohl dafür gestorben sind“, erinnert sich  Linda Jäkel, Mitarbeiterin der zentralen Patientenaufnahme.

Diese Zettelwirtschaft erschwerte die Arbeit und machte sie fehleranfällig. Dokumente mussten mühselig zusammengesucht werden und wurden manchmal falsch einsortiert. Bei rund 100 Aufnahmen pro Tag blieb kaum Zeit für persönliche Worte. „Meistens habe ich die Patient*innen begrüßt, bin rasch mit ihnen die Dokumente durchgegangen und habe sie dann direkt wieder verabschiedet – wie am Fließband“, schildert Jäkel.

Entsprechend erleichtert waren sie und ihr Team über die Ankündigung des Klinikums, die Aufnahmeprozesse zu digitalisieren. „Unser Ziel war es nicht nur, Zeit und Kosten zu sparen, sondern auch Gelegenheiten für persönliche Begegnungen zu schaffen. Ein Krankenhausaufenthalt ist nichts Alltägliches; Menschen sollen sich daher von Anfang an gut aufgehoben fühlen. Dabei war die Förderung im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) ein Anreiz, das Projekt konkret anzugehen“, erklärt KHZG-Projektmitarbeiter Martin Franke. Als Umsetzungspartner wählten er und seine Kolleg*innen Thieme Compliance, „denn mit dem Einsatz der Thieme Software E-ConsentPro in der Patientenaufklärung hatten wir bereits gute Erfahrungen gemacht.“

Portrait Steffi Wilkerling, Thieme Compliance
Die Prozesse wurden über die reine Digitalisierung hinaus optimiert, denn weniger Umfang und Komplexität bedeuten weniger Zeitaufwand.

Steffi Wilkerling, Sales Solution Manager bei Thieme Compliance

Optimierte Dokumente für bessere Übersicht

Das Projekt startete mit einem klugen, aber häufig vernachlässigten Gedanken: Anstatt lediglich alle bestehenden Aufnahmedokumente zu digitalisieren, setzte das Team auf eine gründliche Konsolidierung. „Wir haben jedes Dokument sorgfältig geprüft, veraltete Inhalte entfernt und Texte vereinfacht sowie gekürzt – ohne dabei die rechtlichen Standards zu gefährden. Thieme hat uns mit einem juristischen Gutachten unterstützt. So konnten wir das neue Dokument in Hinblick auf Datenschutz, Haftung und gesetzliche Vorgaben in Zusammenarbeit mit unserer Rechtsabteilung fundiert bewerten und absichern“, erklärt KHZG-Projektmitarbeiter Tom Kühle.

Das Ergebnis: Aus 22 Dokumenten entstanden 8 Bogenpakete. Jedes Bogenpaket fasst Bögen zusammen, die gemeinsam verwendet werden – etwa für die Kategorien „Normalfall“, „Privatfall“ und „Zusatzleistungen“. Wichtige Informationen blieben erhalten, sind aber jetzt übersichtlicher, straffer und verständlicher dargestellt. Dank dieser Umstrukturierung konnten mehrere Seiten eingespart werden, und es sind nur noch zwei Unterschriften pro Aufnahme erforderlich.

„Die umfassende Vorabanalyse und Überarbeitung der Dokumente ist vorbildlich und kann anderen Einrichtungen als positives Beispiel dienen. Dadurch werden Prozesse über die reine Digitalisierung hinaus optimiert, denn weniger Umfang und Komplexität bedeutet weniger Zeitaufwand“, sagt Steffi Wilkerling, Sales Solution Manager bei Thieme Compliance, die das Projekt begleitet.

Tom Kühle, Uniklinikum Magdeburg
Mithilfe intelligenter Schnittstellen haben wir eine Vielzahl von Datenfeldern aus dem KIS in das Aufnahmeformular eingeleitet.

Tom Kühle, Projektmitarbeiter KHZG beim Universitätsklinikum Magdeburg

Effiziente Dateneinleitung und benutzerfreundliche Technik

Ein zentraler Baustein der Digitalisierung war die Integration der Patientenaufnahme in das Klinikinformationssystem (KIS)."Um redundante Dokumentationen zu vermeiden, haben wir gemeinsam mit den Aufnahmekräften ermittelt, welche KIS-Daten für die Aufnahme benötigt werden. Mithilfe intelligenter Schnittstellen haben wir daraufhin eine Vielzahl von Datenfeldern aus dem KIS in das Aufnahmeformular eingeleitet“, schildert Kühle. Informationen wie Patientenstammdaten, Einwilligungen und Versicherungsdaten erscheinen nun automatisch im Aufnahmeformular.

Die Beteiligten modifizierten zudem die Hardware-Infrastruktur: Die Aufnahmekabinen erhielten Monitore und Sign-Pads mit drucksensitiven Stiften auf der Seite der Patient*innen. Diese Elemente wurden mit den Rechnern der Mitarbeitenden verbunden. Mit der Thieme-Anwendung Documents Desk bekommen Fachkräfte und Patient*innen die Dokumente personalisiert angezeigt. „Ich lese den Text vor und fülle das Aufnahmedokument anhand der Angaben der Patient*innen aus. So kann ich das Tempo steuern und die Patient*innen systematisch bis zur rechtssicheren Unterschrift begleiten“, erklärt Linda Jäkel. Das Dokument wird abschließend im System gespeichert und ist klinikweit als PDF im KIS verfügbar.

Die Vorteile des neuen Prozesses im Überblick

Die Einführung der digitalen Patientenaufnahme brachte dem Universitätsklinikum Magdeburg zahlreiche Vorteile: 

•Vereinfachtes Handling: Die Zettelwirtschaft fällt weg – Dokumente müssen nicht mehr sortiert oder gesucht werden. Patient*innen werden von der Last befreit, Papierunterlagen mit sich zu führen und bereitzuhalten.

•Zeitersparnis: Die Aufnahmezeit pro Patient*in sank von 15–20 Minuten auf 5–10 Minuten. Die gewonnene Zeit fließt in andere wichtige Aufgaben, wie die Korrektur fehlerhafter Einträge im System oder die Vervollständigung von Aufnahmen auf den Stationen durch die zentralen Aufnahmekräfte.

•Persönlichere Patientenaufnahme: Die eingesparte Zeit ermöglicht Gespräche mit Patient*innen, was deren Wohlbefinden steigert. „Und es steigert auch unsere Arbeitsfreude, diesen Effekt zu sehen“, so Jäkel.

•Kostenersparnis: Die Kosten pro Aufnahme sind von 4,40 Euro auf 44 Cent gesunken – eine Einsparung von 90 Prozent, vor allem durch verringerte Personal- und Materialkosten.

•Sofortige Datenverfügbarkeit: Die Aufnahmedaten stehen als PDF im KIS bereit. Alle Abteilungen haben sofortigen Zugriff, wodurch die Kommunikation optimiert und Nachfragen überflüssig werden. Aspekte wie Behandlungsplanung, Abrechnung, die Entscheidung über zusätzliche Services, etwa Einzelzimmer, sowie die Nutzung pseudonymisierter Patientendaten für die Forschung werden erleichtert.

•Nachhaltigkeit: Der Verzicht auf Papier und Druck trägt zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs bei und fördert die ökologische Nachhaltigkeit des Klinikums.

Mit Schulung und Piloten zum digitalen Prozess

Nachdem alle Voraussetzungen erfüllt waren, absolvierte das gesamte Aufnahmeteam eine Schulung zum neuen Prozess. Linda Jäkel übernahm dabei die Rolle der Motivatorin: „Da ich Feuer und Flamme für die Idee war, auf Digital umzustellen, konnte ich skeptische Kolleg*innen gewinnen und ihnen die Ängste nehmen. Ich habe betont, dass die neue Lösung problemlos zu bedienen ist und sich inhaltlich nichts verändert.“ Tatsächlich waren nach nur wenigen Durchgängen alle Mitarbeiter*innen mit den Abläufen vertraut.

Nach der Schulung führte Jäkel alleine einen Piloten durch, bei dem sie in ihrer Kabine Patient*innen digital aufnahm. „Viele hatten bereits zuvor digital unterschrieben, etwa im Supermarkt oder bei der Bank, und empfanden es als angenehm, ansonsten nur noch mitzulesen und mündlich Angaben zu machen.“ Den Patient*innen wird angeboten, eine Kopie der Dokumente verschlüsselt per E-Mail zu erhalten statt in Form eines Ausdr uck s. „Selbst sehr bet agte Patient*innen besitzen oft eine E-Mail-Adresse und stimmen zu“, sagt Jäkel. Das Passwort zum Öffnen der E-Mail wird ihnen vor Ort mitgeteilt.

Im Anschluss an diesen Piloten begann das gesamte Aufnahmeteam Ende 2023 mit der digitalen Patientenaufnahme. Der Prozess läuft seitdem reibungslos, mit kleineren technischen Hürden, die das Team durch den alten Papierprozess überbrücken konnte. Inzwischen wurden auch acht Stationen mit der digitalen Lösung ausgestattet, um Patient*innen etwa nach einer Notaufnahme oder im bettlägerigen Zustand effizienter aufnehmen zu können.

Das Aufnahmepersonal erklärt hierbei am Patientenbett auf einem Tablet die Inhalte, fragt die notwendigen Informationen bei den Patient*innen ab und füllt das Dokument aus. Die Patient*innen unterschreiben abschließend auf dem Tablet. „Aufnahmen zählen nicht zu den Kerntätigkeiten von Fachpflegekräften. Umso mehr schätzen sie die Übersichtlichkeit und Einfachheit des neuen Prozesses“, sagt Franke.

Portrait Martin Franke, Uniklinikum Magdeburg

Martin Franke, Projektmitarbeiter KHZG beim Universitätsklinikum Magdeburg

Linda Jäkel, Uniklinikum Magdeburg

Linda Jäkel, Aufnahmemitarbeiterin beim Universitätsklinikum Magdeburg

Perspektive: Mobile Lösung

Die nächsten Schritte sind bereits in Planung. „Gemeinsam mit Thieme Compliance entwickeln wir aktuell eine mobile Lösung, die es Patient*innen ermöglicht, ihre Aufnahmedaten in Ruhe zu Hause einzugeben und an die Klinik zu übermitteln. So wird der Prozess effizienter, da unsere Mitarbeitenden das Aufnahmegespräch fokussierter führen können“, erklärt Martin Franke. Einige Fragen seien dabei noch zu klären, zum Beispiel, ob die Patient*innen die Unterschrift bereits zu Hause leisten oder das Dokument final mit der Aufnahmekraft durchgehen und dann unterschreiben sollten.

Alles in allem zeigt das Projekt „Papierfreie Patientenaufnahme“ am Universitätsklinikum Magdeburg, wie Digitalisierung durch innovative Technologie, ganzheitliche Planung und engagierte Mitarbeitende erfolgreich gelingen kann. Und es widerlegt das Vorurteil, dass Technologie den Menschen verdrängt – im Gegenteil: Sie schafft Raum für die im Gesundheitssektor so wichtige menschliche Beziehung.

Universitätsklinikum Magdeburg

Das Universitätsklinikum Magdeburg zählt zu den führenden Einrichtungen für medizinische Maximalversorgung, Lehre und Forschung in Deutschland. Neben dem Hauptstandort in der Leipziger Straße gehören die Universitätsfrauenklinik und das Ausbildungszentrum für Gesundheitsfachberufe zum Klinikum. Mit 1 100 Betten, modernster Medizintechnik wie PET-CT und INTRABEAM sowie interdisziplinärer Zusammenarbeit gewährleistet es Patientenversorgung auf höchstem Niveau. Rund 4800 Beschäftigte – darunter Ärzte, Wissenschaftler, Pflegekräfte und Verwaltungsangestellte – machen die Universitätsmedizin Magdeburg zu einem der größten Arbeitgeber der Region.