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DMW Walter Siegenthaler Preis: Palliativmedizin in der Pandemie 

Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner (Vorstandsvorsitzender DGIM) gemeinsam mit den Preisträger*innen PD Dr. Martin Neukirchen, Prof. Dr. Birgitt van Oorschot sowie dem Schriftleiter der DMW Prof. Dr. Martin Middeke (v.l.n.r.).

Stuttgart/Wiesbaden, April 2023 Wissenschaftler*innen der PallPan-Forschungsgruppe erhalten den diesjährigen DMW Walter Siegenthaler Preis. Sie haben die palliativmedizinische Versorgungsqualität von Patient*innen in der Pandemie untersucht. Ihre Ergebnisse sowie darauf basierende Empfehlungen für die Zukunft sind 2022 in der Thieme Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ erschienen. Die Auszeichnung wurde am 24. April 2023 im Rahmen des 129. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) verliehen.

Die Begleitung von schwerkranken und sterbenden Menschen war insbesondere in der ersten Welle der COVID-19-Pandemie herausfordernd. Infektionsschutz und Besuchsverbote erschwerten die Versorgung der Patient*innen und die Zuwendung durch Angehörige. Wissenschaftler*innen der PallPan-Forschungsgruppe haben unter Leitung der Würzburger Professorin Dr. med. Birgitt van Oorschot patientennah tätige Klinikmitarbeitende zu ihren Erfahrungen in dieser Zeit befragt. Demnach verschlechterte sich die Versorgungsqualität der Patient*innen in der Pandemie deutlich. Insbesondere die Vereinsamung der Betroffenen wurde als belastend empfunden. PallPan – Palliativversorgung in Pandemiezeiten ist ein Verbund aus 13 universitären palliativmedizinischen Einrichtungen in Deutschland. In gemeinsamen Forschungsprojekten untersuchen Wissenschaftler*innen die Patientenversorgung und Hospizarbeit während der Pandemie. Die jetzt ausgezeichnete Studie ist ein Teil dieser Arbeit.

Zur Teilnahme an der bundesweiten Online-Befragung waren 8882 akutstationär tätige Ärzt*innen, Pflegende und Therapeut*innen außerhalb spezialisierter Palliativstationen eingeladen. 505 von ihnen sendeten vollständig bearbeitete Fragebögen zurück. Darin berichteten sie über ihre Erfahrungen bei der Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden im Zeitraum von Dezember 2020 bis Januar 2021. Im Mittelpunkt der Befragung standen Veränderungen, Belastungen und die Zusammenarbeit mit palliativmedizinischen Fachkräften.

Mehr als ein Drittel der Befragten berichtete über eine verschlechterte Versorgungsqualität von Schwerkranken und Sterbenden. Besonders belastend empfanden sie die Vereinsamung der Patient*innen (86 Prozent). Hinzu kamen die verschärften Hygieneregeln (81 Prozent), die erhöhte Arbeitsbelastung (73 Prozent) und die psychische Belastung von Angehörigen und Hinterbliebenen (78 Prozent). Um mit Angehörigen Kontakt zu halten, konnten Patient*innen teilweise Tablets nutzen (28 Prozent) oder erhielten das Angebot einer Videokonferenz (9 Prozent). 61 Prozent der Befragten gaben an, palliativmedizinisches Fachpersonal eingebunden zu haben. 70 Prozent hätten weitere palliativmedizinische Angebote als hilfreich empfunden.

„Die Umfrageergebnisse zeigen, dass wir in Zukunft verstärkt digitale Möglichkeiten wie videogestützte Familiengespräche anbieten sollten. Auch könnten Seelsorger*innen und Hospiz-Ehrenamtliche mehr als bisher auf Station unterstützen“, empfehlen die Studien-Autor*innen. Zudem fordern sie, die Palliativversorgung als einen festen Bestandteil in zukünftige Pandemie- und Krisenpläne zu integrieren.

Unter Federführung von Professorin Dr. med. Birgitt van Oorschot haben Wissenschaftler*innen der Zentren für Palliativmedizin der Universitätsklinika Würzburg, Düsseldorf und Köln sowie der LMU Ludwig-Maximilians-Universität München gemeinsam mit dem Institut für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt zusammengearbeitet.

Van Oorschot selbst leitet das Interdisziplinäre Zentrum Palliativmedizin in Würzburg. Sie erklärt: „Es ist wichtig, aus den zurückliegenden Erfahrungen zu lernen und Maßnahmen für die Zukunft zu entwickeln, um Patient*innen jederzeit ein würdevolles Sterben zu ermöglichen.“ Dazu müssten jedoch ausreichend personelle und materielle Ressourcen in den Kliniken geschaffen werden.

Professor Dr. med. Martin Middeke, Vorsitzender der Jury und Schriftleiter der „DMW“ betont: „In Pandemiezeiten fehlen Kapazitäten, um neue Angebote und Strukturen zu etablieren. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, auf eine verbesserte Versorgung Schwerkranker und Sterbender hinzuwirken. Die ausgezeichnete Studie bietet dafür sehr konkrete Empfehlungen.“

Quelle:
L. Werner, M. Fischer, B. van Oorschot, A. Ziegaus, J. Schwartz, M.-C. Reuters, M. Schallenburger, T. Henking, S. Neuderth, S. Simon, C. Bausewein, C. Roch, M. Neukirchen für die PallPan-Forschungsgruppe
Allgemeine Palliativversorgung im Krankenhaus während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2022; 147: e102–e113 

Der DMW Walter Siegenthaler Preis
Die 1875 gegründete DMW, die seit 1887 im Georg Thieme Verlag erscheint, vergibt die nach dem Schweizer Internisten Professor Dr. med. Dr. h. c. Walter Siegenthaler (1923–2010) benannte Auszeichnung in diesem Jahr zum 24. Mal. Der mit 5000 Euro dotierte Preis zeichnet Autorinnen und Autoren aus, deren Forschungsarbeit im Vorjahr in der DMW publiziert wurde und prägenden Einfluss auf Medizin und Gesundheit genommen hat und nimmt.

Bild: Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner (Vorstandsvorsitzender DGIM) gemeinsam mit den Preisträger*innen PD Dr. Martin Neukirchen, Prof. Dr. Birgitt van Oorschot sowie dem Schriftleiter der DMW Prof. Dr. Martin Middeke (v.l.n.r.) © DGIM/Bratulic