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Theodor-Axenfeld-Preis 2022 für Essener Forschungsteam

Stuttgart/Berlin, Oktober 2022 – Der diesjährige Theodor-Axenfeld-Preis geht an ein Autorenteam um Dr. Tobias Kiefer vom Essener Universitätsklinikum. Im Rahmen einer klinischen Studie hat sich die Forschungsgruppe intensiv mit der Intraarteriellen Chemotherapie (IAC) beim Retinoblastom, einem kindlichen Augentumor der Netzhaut, beschäftigt. Die Wissenschaftler*innen bewerten die Krebstherapie als insgesamt erfolgversprechend. Sie weisen aber auch daraufhin, dass im Behandlungsverlauf Komplikationen auftreten können, die das Sehvermögen der Kinder gefährden. Der mit 1500 Euro dotierte Preis wird alljährlich auf der Jahrestagung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) verliehen. Die Auszeichnung wird im Gedenken an den Augenarzt Theodor Axenfeld (1867-1930) verliehen, den früheren Herausgeber der „Klinischen Monatsblätter für Augenheilkunde“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart). Gewürdigt wird die beste veröffentlichte Originalarbeit des zurückliegenden Jahres.

Das Retinoblastom ist einer der häufigsten bösartigen Tumoren des Augeninneren. In absoluten Zahlen ist die Wucherung, die von den Zellen der Netzhaut ausgeht, dennoch selten: In Deutschland werden pro Jahr nur rund 40 Neuerkrankungen diagnostiziert. Das Retinoblastom macht damit weniger als drei Prozent der im Kindesalter auftretenden Tumorerkrankungen aus. Im Erwachsenenalter sind weltweit nur sehr wenige Fälle beschrieben. Weil die Erkrankung hauptsächlich Kleinkinder unter vier Jahren betrifft, muss jede Therapie nicht nur hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, sondern auch bezüglich ihrer langfristigen Nebenwirkungen besonders kritisch betrachtet werden.

In der prämierten Arbeit hat Erstautor Kiefer gemeinsam mit einem achtköpfigen interdisziplinären Team die Wirksamkeit und Sicherheit der sogenannten intraarteriellen Chemotherapie (IAC) untersucht. Hierbei wird das Krebsmedikament über einen Katheter gezielt in das Blutgefäß eingebracht, welches das betreffende Auge versorgt. Damit soll die Belastung durch das Chemotherapeutikum für den kindlichen Körper möglichst geringgehalten werden.

Da das Essener Universitätsklinikum als nationales Referenzzentrum für Retinoblastom-Erkrankungen fungiert, konnte Kiefer mit seinen Kolleginnen und Kollegen auf umfangreiche Patientendaten zurückgreifen. Ihre Analyse schloss letztlich 88 vom Retinoblastom betroffene Augen von 79 Kindern ein. Sie waren zwischen 2010 und 2020 in Essen mittels IAC behandelt und im Mittel über drei Jahre hinweg nachbeobachtet worden.

Therapie erhält bei zwei Drittel der Patient*innen das Augenlicht

Wie die Auswertung ergab, konnte der Tumor in über 85 Prozent der behandelten Augen zunächst erfolgreich zurückgedrängt werden. Bei etwa 61 Prozent kehrte die Erkrankung auch sechs Monate nach Abschluss der Therapie nicht zurück. Mehr als zwei Drittel der behandelten Augen (rund 68 Prozent) konnten erhalten werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass knapp über 30 Prozent der Augen im Verlauf der Therapie wegen unterschiedlicher Gründe entfernt werden mussten.

Komplikationen durch aggressive Wirkung des Therapeutikums und Gefäßverschlüsse

Die Autoren weisen auch auf die hohe Komplikationsrate der Therapie hin. Diese sei zum einen auf die aggressive Wirkung des Chemotherapeutikums zurückzuführen. Zum anderen verhinderten Gefäßverschlüsse im Bereich des Auges eine erfolgreiche Behandlung. Hiervon waren fast 41 Prozent der Augen betroffen, bei gut 21 Prozent aller behandelten Augen wurde hierdurch das Sehvermögen zum Teil stark beeinträchtigt.

Die Jury würdigt die Essener Studie als wertvollen Beitrag dazu, das Potenzial der IAC besser beurteilen zu können. „Die Studie von Kiefer und seiner Ko-Autor*innen zeigt, dass die IAC eine potente Therapie beim Retinoblastom darstellt, die auch bei fortgeschrittenen und vorbehandelten Befunden sinnvoll eingesetzt werden kann“, heißt es in der Laudatio. Allerdings müsse beachtet werden, dass Komplikationen, die das Sehvermögen beeinträchtigen, nicht selten seien. Auf der Basis dieser Analyse, so die Jury abschließend, könne die Behandlung und Prognose des Retinoblastoms am nationalen Referenzzentrum in Essen weiter verbessert werden.

Die Jury
Neben dem Schriftleiter der „Klinischen Monatsblätter für Augenheilkunde“ Professor Dr. med. Siegfried Priglinger gehörte der Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) Professor Dr. med. Gerd Geerling der diesjährigen Jury an. Gemeinsam mit Professor Dr. med. Michael Amon von der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft (ÖOG) und Professor Dr. med. Christoph Kniestedt von der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft (SOG) begutachteten sie 67 Originalarbeiten, die im vergangenen Jahr in der Thieme Fachzeitschrift erschienen sind.

Quelle:
T. Kiefer et al.:
Intraarterial Chemotherapy for Retinoblastoma – Initial Experiences of a German Reference Centre
Intraarterielle Chemotherapie beim Retinoblastom – erste Erfahrungen eines deutschen Referenzzentrums
Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde 2021; 238 (7); S. 788–796
DOI: 10.1055/a-1508-6194

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